• 17.08.2022
      18:00 Uhr
      Bloß nicht krank werden Menschen ohne Krankenkasse | phoenix
       

      Obwohl es in Deutschland eine Versicherungspflicht gibt, waren 2019 laut Statistischem Bundesamt 61.000 Menschen ohne Krankenversicherung. Experten und Verbände schätzen die Zahl sogar auf mehr als eine Million. Wer zurück in den normalen Versicherungsschutz will, muss die vollen Beiträge der vergangenen Jahre nachzahlen. Die Reportage beobachtet den Alltag von Menschen ohne Krankenversicherung und begleitet sie auch auf dem Weg heraus aus dem Teufelskreis Armut, Krankheit und immer mehr Schulden.

      Mittwoch, 17.08.22
      18:00 - 18:30 Uhr (30 Min.)
      30 Min.
      Stereo

      Obwohl es in Deutschland eine Versicherungspflicht gibt, waren 2019 laut Statistischem Bundesamt 61.000 Menschen ohne Krankenversicherung. Experten und Verbände schätzen die Zahl sogar auf mehr als eine Million. Wer zurück in den normalen Versicherungsschutz will, muss die vollen Beiträge der vergangenen Jahre nachzahlen. Die Reportage beobachtet den Alltag von Menschen ohne Krankenversicherung und begleitet sie auch auf dem Weg heraus aus dem Teufelskreis Armut, Krankheit und immer mehr Schulden.

       

      Obwohl es in Deutschland eine Versicherungspflicht gibt, waren 2019 laut Statistischem Bundesamt 61.000 Menschen ohne Krankenversicherung. Experten und Verbände schätzen die Zahl sogar auf mehr als eine Million, weil viele Betroffene in der Statistik nicht vorkommen. Wer zurück in den normalen Versicherungsschutz will, muss die vollen Beiträge der vergangenen Jahre nachzahlen.

      Helga S. ist 74 und schwer an Rheuma erkrankt. Die ständigen Schmerzen gehören zu ihrem Alltag, und nur teure Medikamente könnten sie lindern, wenn ihr nicht die private Krankenkasse fristlos gekündigt hätte. Seitdem lebt sie ohne jeden Versicherungsschutz und damit auch ohne ärztliche Hilfe. Dabei bräuchte sie dringend eine medizinische Versorgung, weil neben ihrem Rheuma auch ein Verdacht auf Hautkrebs besteht. Der müsste dringend entfernt und im Labor untersucht werden, aber eine Behandlung aus eigener Tasche kann sie sich nicht leisten. Sie ist arm, bekommt nur eine Rente von 683 Euro. Weil sie jahrzehntelang privat versichert war, gäbe es in ihrer Notlage nur noch einen Basistarif bei jeder privaten Versicherung, aber auch dieser kostet knapp unter 1000 Euro und ist für sie unbezahlbar. Das Amt will sie finanziell nicht unterstützen, und für einen Anwalt hat sie kein Geld. In ihrer Verzweiflung spricht sie immer öfter davon, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

      Alexandra T. ist Mitte 40 und hatte als selbstständige Logopädin eine eigene Praxis. Dann wurde sie zahlungsunfähig und ist nun völlig überschuldet in erster Linie bei ihrer Krankenkasse. Hier haben sich bereits Beitragsschulden im fünfstelligen Bereich angehäuft. Deshalb ist sie nur noch im Notfalltarif versichert. Das bedeutet: Solang sie ihre Beitragsschulden nicht zurückgezahlt hat, wird sie vom Arzt nur noch dann behandelt, wenn sie kurz vor dem Kollabieren ist, zahnärztliche oder andere medizinische Grundbehandlungen werden nicht mehr übernommen. Sie kann es sich also auf keinen Fall erlauben, krank zu werden, und verdrängt deshalb jedes Anzeichen dafür. Dabei müsste sie schon seit Jahren zum Zahnarzt, kann sich vor Karies kaum noch retten. Ein Teufelskreis: Denn die Schulden schnüren ihr die Kehle zu, und auch das macht krank. Und sie schämt sich für ihren Zustand, lässt sich gehen, weil sie sich nicht mehr als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft empfindet. Nun will sie alles dafür tun, um ihre Schulden zurückzuzahlen und so schnell wie möglich wieder normal kranken versichert zu sein.

      Marcel W. ist 28 Jahre alt und schwer an Multipler Sklerose erkrankt. Vor drei Jahren verlor er seinen Job, konnte seine Miete nicht mehr zahlen und wurde wohnungslos. Weil er damit auch seine Krankenversicherung nicht mehr stemmen konnte, hat er Beitragsschulden von mehr als 10.000 Euro. Monat für Monat fordert die Kasse ihr Geld zurück, steigt der Betrag durch Strafzinsen und Versäumniszuschläge, und die Krankenkasse droht ihm mit dem Notlagentarif. Der wäre fatal für Marcel W., weil er allein 2021 mehrere Krankheitsschübe hatte und im Notlagentarif keine medizinische Hilfe mehr bekäme. Wenigstens hat er wieder ein Dach über dem Kopf: eine Einrichtung für junge, wohnungslose Erwachsene betreut ihn. Und er lebt von Hartz IV, steckt in einer Umschulungsmaßnahme, bei der er 40 Stunden die Woche in einer Steuerkanzlei für deren Computertechnik zuständig ist. Vielleicht wird die Kanzlei ihn übernehmen, noch aber kann er vom Hartz-IV-Satz seine Schulden nicht begleichen. Und so schwebt die Angst vor dem Abstieg in den Notlagentarif ständig wie ein Damoklesschwert über ihm und belastet ihn noch zusätzlich im täglichen Kampf gegen die tückische Krankheit Multiple Sklerose.

      Die "37°"-Reportage beobachtet den Alltag von Menschen ohne Krankenversicherung und begleitet sie auch auf dem Weg aus dem Teufelskreis aus Armut, Krankheit und immer mehr Schulden.

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      Mittwoch, 17.08.22
      18:00 - 18:30 Uhr (30 Min.)
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